Zur Geschichte des Curriculums Fennistik

 

Interview mit Ao.Prof. Dr. Timothy Riese

Wir haben uns bis jetzt mit den Curricula, die ab 1994 online verfügbar sind, auseinandergesetzt – aber wie es davor war, wissen wir nicht genau. Vielleicht könnten Sie uns ein bisschen darüber erzählen?

Die Stellung des Finnischen und der Fennistik hat sich dramatisch verändert im Laufe der Zeit. Anfangs, ab den 70er oder 80er Jahren etwa, hat es für lange Zeit das Diplomstudium gegeben – das war weder Hungarologie noch Fennistik, sondern das Diplomstudium für Finno-Ugristik. Wer damals Finno-Ugristik studiert hat, musste sehr, sehr viel Ungarisch machen – Finnisch hat es zwar gegeben, war aber in der Studienordnung kaum verankert. Pflicht waren vielleicht 1, höchstens 2 Semester – mehr nicht. Man konnte dann ein paar Sachen aus der Landeskunde anrechnen lassen, aber ich glaube, sie waren nicht unbedingt verpflichtend.

Das war damals schon ein Problem, denn auch damals sind schon Studenten zu uns gekommen, die sich hauptsächlich für das Finnische interessiert haben. Die meisten von ihnen sind dann nach 1 oder 2 Semester weggegangen, weil sie bemerkt haben, dass das Ungarische überwiegt und Finnisch nur so nebenbei war. So haben dann die meisten aufgegeben – die, die durchgehalten haben, waren eher die Ausnahme.

Damals hat es eben die Sprachkurse gegeben, von Anja-Leena Holtari – sie hat das über Generationen gemacht. Sie hat aber nicht so viele Stunden gehabt. Es gab jeweils 8 verschiedene Stufen und jede Stufe hat einmal die Woche statt gefunden, zweistündig. Das war also nicht sehr intensiv. Dann gab es noch eine Veranstaltung zur Geschichte und Landeskunde und dann noch eine zur Literatur – aber auch das nicht sehr intensiv. Ab und zu ist jemand aus Finnland gekommen, aber hauptsächlich für die Sprachwissenschaft. Das Angebot war nicht sehr groß – verpflichtend waren nur die ungarischen Sachen.

Was war der Grund für das eher kleine Angebot?

Das Institut war ja damals winzig, bestand praktisch aus einem Zimmer. Ich habe sogar Lehrveranstaltungen gehabt, an denen ich dann alleine teilgenommen habe. Wir sind zwar noch immer klein, aber kein Vergleich zu damals. Wir sind ja erst seit 2000 hier (am Campus), früher waren wir in einer Wohnung.

Also die Situation für das Finnische war ja damals sehr schlecht – man konnte es zwar machen, aber mit sehr eingeschränkten Möglichkeiten. Später, als es dann darum ging, die Diplomstudien zu ersetzen, ist uns dann die Idee gekommen wirklich zu schauen, dass die zwei Sprachen gleichberechtigt sind. Wir haben dann versucht ein neues Diplomstudium zu entwerfen, in dem man sich für eine der beiden Sprachen entscheidet – das muss in etwa 2001 gewesen sein, ganz zur Anfangszeit von Kollegin Laakso. Wir hatten also unsere Vorstellung eingereicht und in einem sehr kurzen Gespräch hat man uns dann nahegelegt, doch zwei Bakkalaureatsstudien zu entwerfen – denn damals hat man gerade mit denen begonnen. Uns blieb also nichts übrig, als unser mühevoll zusammengesetztes Diplomstudium wieder zu zerlegen und zwei Bakkalaureatsstudien zusammenzusetzen – getrennt in Hungarologie und Fennistik. Und das war die große Neuerung! Die ganzen finno-ugrischen Sachen hat man dann ausgeklammert und für das Masterstudium – damals Magister – aufgehoben.

Wir hatten aber immer Befürchtungen, dass es vielleicht doch nicht genug interessierte Studenten geben und die Nachfrage doch nicht so groß sein könnte – unbegründet. Die Nachfrage war dann groß genug und es gab nie Probleme.

Wenn die Nachfrage groß genug war, wieso hat man dann erst so spät über Erneuerungen nachgedacht?

Das war für die Zuständigen einfach kein Anliegen. Wir haben dann später schon versucht im Diplomstudium etwas zu verändern – das wurde allerdings abgelehnt, in Hinblick auf die Bakkalaureatsstudien. Das hat sich dann auch bewährt und wir waren sehr froh darüber, dass es so gekommen ist. Die Umstellung von Bakkalaureat auf Bachelor war dann für uns einfacher – allerdings sind jetzt die zwei Studien nicht mehr so ident wie früher. Das hängt damit zusammen, dass wir nicht genug Personal haben, was auch eine Geldfrage ist. Wirklich fehlen würde noch, dass wir ein Masterstudium für finnische Literatur anbieten können, aber dafür haben wir die Leute nicht. Für das ungarische Masterstudium haben wir die Kapazitäten, aber für das finnische fehlen sie uns einfach. Damit das Bachelorstudium durchführbar ist, haben wir im Sommersemester immer einen Gastprofessor aus Finnland für die Literatur. Das reicht leider nicht für ein Masterstudium aus; um mehr Gastprofessoren zu uns zu schicken fehlt den Finnen das Geld und man ist da bis jetzt auch auf keine Lösung zur Zufriedenheit aller gestoßen – und das ist sehr schade.

Von uns wird regelmäßig einmal im Jahr um einen Gastprofessor angefragt, aber es gibt auch zu wenige Professoren dort, die sich dafür interessieren und auch gut genug Deutsch sprechen. Im Notfall weicht man aber dann auch auf Englisch aus, wenn man vor der Wahl steht, entweder auf Englisch gehaltene Vorlesungen zu haben, oder gar keine. Da fehlen uns also leider die Möglichkeiten für ein zusätzliches Masterstudium.

Das ist dann wahrscheinlich auch der Grund, dass in unserem Bachelorstudium die sprachwissenschaftlichen Lehrveranstaltungen so überwiegen?

Genau. Das hängt mit den Personalkapazitäten zusammen – wir hätten damals bei der Neuplanung der Studien auch keine Kurse eintragen können, von denen wir gewusst hätten, dass das Personal dafür nicht vorhanden wäre. Das ist dann eine Kostenfrage – wir müssen schauen, dass wir den Verlauf mit den vorhandenen Kapazitäten durchziehen können. So ist schon von Haus aus weniger Spielraum da.

Es ist auch schwierig, überhaupt Personal zu finden – das ist für die Sprachkurse sogar noch einfacher, aber für die wissenschaftlichen Fächer müssen die Leute studiert haben und die Sprache auch gut sprechen können – und davon gibt es wenige.

Da gibt es also in der Fennistik noch Schwierigkeiten – am schönsten wäre es natürlich, wenn man die Fennistik und die Hungarologie ganz parallel gestalten könnte. Aber die Situation hat sich im Vergleich zu früher auf jeden Fall wesentlich verbessert.

(Barbara Markhart und Tamara Schramek)