Aktuelle Publikationen der Wiener Finno-Ugristik: Unser Themenabend

Womit sich die Mitarbeiter_innen unserer Abteilung wissenschaftlich beschäftigen und welche Publikationen aus dieser Tätigkeit hervorgehen, das konnten Interessierte am 14.06. am öffentlichen Buchpräsentationstag des Institutes für Finno-Ugristik erfahren. Wir sind zwar ein kleines Institut, schreiben aber viel. Die Veranstaltung wurde also ins Leben gerufen, um gesammelt die Publikationen des Jahres 2022 mit Institutsbeteiligung vor- und ausstellen zu können und so einen Überblick über die Forschungstätigkeit des Institutes zu bieten.

In Kurzvorträgen präsentierten unsere Mitarbeiter_innen in der Funktion von Autor_innen, Herausgeber_innen, und Übersetzer_innen ihre aktuellen Werke. Aus Zeitgründen beschränkten wir uns dabei auf die Vorstellung aktueller Monographien, Sammelbände und Beiträgen in Sammelbänden.

Die Vorträge waren in drei Panels gruppiert, die die thematische Vielfalt der Wiener Finno-Ugristik widerspiegeln: Literatur- und Kulturwissenschaft, Sprachwissenschaft, und Übersetzungen. Von der Soziolinguistik finno-ugrischer Minderheitenliteraturen über das literarische Mäzenatentum in Ungarn und das Internet kaputt machende Omas in estnischer Übersetzung bis hin zur Etymologie von ung. szeder ‘Brombeere’ und vielem dazwischen präsentierte sich unser Institut in großer thematischer Vielfalt. Besonders hervorzuheben sind an dieser Stelle die Monographien mit autorieller, sowie Sammelbände mit herausgeberischer Beteiligung:

  • Ferenc Vincze bietet in seiner Habilitationsschrift „Képregénytörténetek“ (dt. „Comicgeschichten“) einen Überblick über die Entstehung, Formsprache und Poetik des ungarischen Comics und verortet ihn als wichtigen Teil der ungarischen Medienkultur.
  • Der von Wolfgang Müller-Funk und Andrea Seidler herausgegebene Band „Wien 1918 – ein kulturelles Laboratorium der Moderne“ befasst sich mit der kulturellen Bedeutung der Ersten Republik aus komparatistischer Perspektive – eine Zeit, der gegenüber der Wiener Moderne und Weimarer Republik bisher wenig Aufmerksamkeit gewidmet wurde.
  • Der Sammelband „Region der Vielfalt – Wechselbeziehungen im burgenländisch-westungarischen Raum in Geschichte und Gegenwart“, herausgegeben von Márta Csire, Ernő Deák, Károly Kókai, Andrea Seidler enthält Beiträge zur Bedeutung der Ungarn im Burgenland anhand Themen wie Geschichte, Demographie, Sprache, Literatur, schriftliches Erbe, Musikgeschichte und Alltagskultur des Burgenlandes.
  • Johanna Laakso war als Mitherausgeberin wesentlich an der Entstehung des „Oxford Guide to the Uralic Languages“ beteiligt. Der Sammelband ist die neue große Gesamtdarstellung der uralischen Sprachfamilie und beinhaltet neben aktuellen Beschreibungen einzelner Sprachen auch thematische Kapitel zu Hintergründen und zu typologischen Aspekten der Sprachfamilie.
  • Ebenso wurde die Festschrift für unsere selbsternannte „Vielschreiberin“ Johanna Laakso vorgestellt (von der feierlichen Übergabe berichteten wir bereits hier).
  • Sampsa Holopainen präsentierte als Erstautor die Monographie „Die alten arischen und baltischen Lehnverben der uralischen Sprachen“, in der sowohl Etymologien einzelner Verben als auch allgemeine Aspekte der Verbalentlehnung einer kritischen Betrachtung unterzogen werden.

Im Anschluss an die Präsentationen konnten die Bücher in physischer Form betrachtet werden, und die Beteiligten beantworteten gerne Fragen zu ihren Publikationen. Zusätzlich wurde als Überblick über die Publikationen ein Plakat entworfen, das im Hörsaal 1 oder online besichtigt werden kann. Weitere Publikationen unseres Institutes finden sich auf der Institutswebsite.

Was für ein Tag!

So etwas kommt an der Wiener Finno-Ugristik nicht oft vor: Am 14. März 2023 fanden nacheinander sechs Masterprüfungen statt, und danach durften wir sechs neuen Absolventinnen zur gut oder sehr gut bestandenen Prüfung gratulieren.

In drei der Arbeiten ging es um Fragen des Übersetzens. Deutsch und Finnisch waren dabei die Ausgangssprachen zweier Kolleginnen: Alexandra Winkler hatte in ihrer Masterarbeit die Verwendung und die deutschen Übersetzungen von finnischen U-Verbalableitungen – oft pauschal “reflexiv” genannt – erforscht, Verena Dissauer schrieb über das Übersetzen von Kinderliteratur, genauer gesagt Bilderbüchern, wobei sie sich auf ihre eigenen Erfahrungen aus der Praxis bezog. Patrícia Pataky behandelte in ihrer Arbeit die Deskriptivwörter im Ungarischen und ihre Übersetzbarkeit ins Deutsche.

In zwei weiteren Arbeiten standen finnisch-ugrische Minderheitssprachen im Vordergrund: Marie-Christin (Mikke) Mayer widmete sich in ihrer Arbeit dem Marischen, einer der sogenannten kleinen finno-ugrischen Sprachen. Anhand einer Korpusanalyse demonstrierte sie die nichtpossessiven Verwendungen von Possessivsuffixen, also jenen kleinen Elementen, mit welchen in den finno-ugrischen Sprachen die Besitzerperson markiert werden kann, die aber eben auch andere Funktionen haben können. Esther Stocker analysierte die Verwendung der sogenannten Sprachnestmethode bei der Revitalisierung von gefährdeten finno-ugrischen Sprachen.

Um Sprachvermittlung ging es schließlich auch in der Masterarbeit von Kim Luu, die über die Lehrwerke, die im Finnischunterricht für Deutschsprachige verwendet werden, mit Fokus auf dem Stufenwechsel von Konsonanten.

Auf dem Gruppenfoto stehen die neuen Absolventinnen mit den Prüfer:innen (Jeremy Bradley, Johanna Laakso, Mikko Kajander) und dem fleißigen Vorsitzenden Ferenc Vincze. Bevor das Foto geschossen wurde, hatte sich die Gruppe bei einem Glas Sekt unter anderem über die Notwendigkeit der Alumni-Arbeit unterhalten. Das Fazit war: Wir möchten unsere Absolventinnen nicht aus den Augen verlieren. Unsere ehemaligen Studierenden und Absolvent:innen sind bei unseren vielfältigen Veranstaltungen immer herzlich willkommen…

… und Veranstaltungen, Feste, Lesungen und Vorträge auch für das große Publikum wird es bei uns weiterhin geben, beginnend zum Beispiel mit dem Gastvortrag am Dienstag 21.3.: unser ehemaliger Gastprofessor Márton Szilágyi (ELTE-Universität Budapest) wird über Sándor Petőfi sprechen, der nicht nur ein Klassiker der ungarischen Literaturgeschichte war sondern eine spannende und widersprüchliche Figur hinter dem nationalen “Petőfi-Kult”.

Wer weiterhin über unsere Veranstaltungen und Programme informiert bleiben will, kann gerne die E-Mail-Liste für die “Freunde der Finno-Ugristik” abonnieren – oder uns einfach auf den Sozialen Medien (Twitter, Facebook, Instagram) folgen.

Achtung, Werbung: Minderheitensprachen im Internet

In diesem Studienjahr hat die Wiener Finno-Ugristik die große Freude gehabt, zwei Postdoc-Gastforschende aus Joensuu begrüßen zu können: Frau Dr. Henna Massinen im Wintersemester, Herrn Dr. Ilia Moshnikov im Sommersemester.

Die Universität Ostfinnlands (mit dem Hauptsitz für Geisteswissenschaften in Joensuu) trägt zurzeit die Hauptverantwortung für die Revitalisation des Karelischen, der Schwestersprache des Finnischen, die erst seit vor Kurzem in Finnland offiziell als eine Minderheitssprache anerkannt ist. Ein großer Teil von der heutigen karelischsprachigen Menschen, sowie der größte Teil des historischen karelischsprachigen Gebietes, befinden sich in Russland, und mit dem Krieg sind die Kooperationen zwischen Finnland und der Republik Karelien in Russland fast unmöglich geworden. Die Forscher*innen und Sprachaktivist*innen geben trotzdem nicht auf, und gerade in Zeiten wie diesen kann das Internet eine große Rolle bei der Verwendung, Weitergabe und Revitalisation von gefährdeten Sprachen spielen.

Bilder aus einer Reihe von Videos über die karelische Identität heute, gedreht in Kooperation mit der Organisation von jungen Karelier*innen in Finnland.

Gemeinsam mit unserem Doktoranden und Mitarbeiter Christian Pischlöger, der den Gebrauch des Udmurtischen in den sozialen Medien erforscht, wird Ilia Moshnikov in diesem Sommersemester einen Kurs über die Minderheitensprachen im Internet halten. (Unterrichtssprachen: Deutsch (CP) und Englisch (IM).) Keine Vorkenntnisse von finno-ugrischen Sprachen sind nötig, und deshalb empfiehlt sich diese LV auch für Studierende von Nachbarfächern, die sich für die Fragen von Minderheitensprachen interessieren.

Themen des Kurses (aus dem vorläufigen Stundenplan):

  • Popularization of minority languages online
  • Linguistic vitality and digital linguistic vitality
  • Digital language death
  • Finno-Ugric languages in Russia and in the Internet
  • Virtual linguistic landscapes
  • Wikipedia in the revitalization of minority languages

Die LV findet donnerstags an der Abteilung für Finno-Ugristik (Campus Hof 7.2) statt; Anmeldung und weitere Infos auf u:find.

Finno-Ugristik on Tour

Wenn man an der Finno-Ugristik studiert – sei es im Bachelor „Hungarologie und Fennistik“ oder im Master „Hungarologie“ oder „Finno-Ugristik“ – wird man immer wieder mit der Frage konfrontiert: Und was genau machst du da eigentlich?! (Oder auch in der verschärften Abwandlung: Und was genau machst du dann damit??!!)

Für angehende Maturant*innen ist die Wahl des Studiums oft gar nicht so leicht. Selbst wenn man weiß, dass die nächste Station die Universität sein soll, hat man in der Schule oft noch keine besonders klare Vorstellung davon, was die verschiedenen Studien überhaupt beinhalten, was da genau gemacht wird, was man dann irgendwann genau damit machen wird. Oft wird zum Beispiel ein vermeintlich bekanntes Fach wie Germanistik (also Deutsch) oder Anglistik (also Englisch) gewählt, ohne sich dessen wirklich bewusst zu sein, was die Inhalte dieser Studien umfassen oder dass es bei der Studienwahl mitunter lohnend sein kann, über den bekannten Tellerrand hinauszusehen und in bislang unbekannte Fächer einzutauchen, die inhaltlich auch weiter gefasst sind, als man es auf den ersten Blick vermutet.
So wird man auch, wenn man an der Finno-Ugristik studiert oder arbeitet – sei es in der Forschung und/oder der Lehre – genauso oft mit der Aussage konfrontiert: Das ist ja voll cool / interessant / spannend, was du da machst! Das wusste ich ja gar nicht, dass ihr da auch sowas macht!

Und genau deshalb haben wir an der Finno-Ugristik beschlossen, eine kleine Promo-Tour zu starten, und den zukünftigen Maturant*innen unsere Abteilung vorzustellen – aus erster Hand sozusagen, live, in Person, vor Ort bei ihnen, damit sie einen echten Einblick in das bekommen, was sie bei uns erwartet, wenn sie sich für ein Studium an der Finno-Ugristik entscheiden.

Unsere erste Station war Oberwart, wo wir das Zweisprachige Bundesgymnasium besucht haben. Die Direktorin Iris Zsótér, selbst Absolventin der Finno-Ugristik, hat uns herzlich empfangen und uns ermöglicht, der 7. und 8. Klasse des Ungarisch-Zweiges unsere Abteilung, die verschiedenen Studien mit ihren Schwerpunkten, unsere Forschungsarbeiten und auch unsere persönlichen akademischen Lebenswege vorzustellen.

Von l.n.r.: Christian Pischlöger, Ferenc Vincze, Iris Zsótér, Erika Erlinghagen und Jeremy Bradley

Das durchwegs positive Feedback hat uns darin bestärkt, weiter auf Tour zu gehen, um den zukünftigen Studierenden eine Vorstellung davon zu geben, wie viele coole und interessante und spannende Themen sich hinter dem Titel der „Finno-Ugristik“ verbergen: von abenteuerlichen Auslandsexkursionen inkl. Verhaftungen über Comics, völlig neue Arten der eigenen Verortung in der Welt über Sprache, Kulturpolitik, Minderheitenthemen und Mehrsprachigkeit bis hin zu legendären Festen mit dem echten, originalen, finnischen Weihnachtsmann (= Joulupukki) ist bei uns so ziemlich alles dabei.

Klingt spannend? Ist es auch. Wir kommen gerne vorbei und erzählen davon persönlich.

Theater im Wohnzimmer – Gastvortrag von Judith Csáki

Beitrag von Ágota Kertész

Am 29. November hielt die Theaterkritikerin, Journalistin und Universitätsdozentin Judith Csáki an der Wiener Finno-Ugristik einen Vortrag über das Theaterwesen in Ungarn mit dem Titel Theater im Wohnzimmer (Színház a nappaliban). Als Kritikerin kennt Csáki das ungarische Theater in- und auswendig und besucht nun schon seit über 30 Jahren monatlich mindestens 22 Vorstellungen. Der Titel der Veranstaltung nimmt auf zwei Besonderheiten des zeitgenössischen Theaterwesens in Ungarn Bezug. Einerseits wird darauf verwiesen, dass die wichtigsten Ereignisse, die das Bühnenwesen betreffen, meist im Wohnzimmer oder an Orten, die zumindest die Größe eines Wohnzimmers haben (Studios, Kammern, etc.), stattfinden. Zum anderen ist das Wohnzimmer bezeichnend für das neue ungarische Drama, das sich häufig im engen Kreis der Familie abspielt. Durch den Vortrag brachte Judith Csáki den Zuhörerinnen und Zuhörern vor allem die Organisation und die zahlreichen Probleme, mit denen das Theater zu kämpfen hat, näher.

Judit Csáki mit der Moderatorin Márta Csire

Die ungarischen Theater unterliegen einer streng geteilten Struktur. Zum einen gibt es jene Theaterinstitutionen, die vom Staat verwaltet werden, wodurch es zu einer problematischen Vermischung von Politik und künstlerischem Schaffen kommt. Diesen Theatern gegenüber stehen jene Bühnen, die den Gemeinden unterstehen. Solche gibt es jedoch nur in Budapest und meist fehlt diesen Ensembles das Geld, um produktiv funktionieren zu können. In Ungarn entscheidet ein fachliches Kuratorium über die Subventionsanträge. Das Problem, meint Csáki, ist aber das gebundene Mandat der Mitglieder des Gremiums, deren Abstimmung politisch motiviert ist. Der ungarischen Theaterszene mangele es grundsätzlich nicht an Geld, die Verteilung der 36 Milliarden Forint erfolge aber willkürlich und unabhängig von den Bewerbungen für Subventionen.

Die wichtigste Gruppe innerhalb der ungarischen Bühnen nehmen die unabhängigen Theater ein, die ohne staatliche Förderung, nur mit Wettbewerbsschreiben auskommen. Sie erfüllen wichtige gesellschaftliche Funktionen, wie beispielsweise den Sensibilisierungsunterricht in Schulen. Ganz wichtig für diese Gruppen sind die meist anonymen Unterstützungen von Unternehmen und Privatpersonen.

Viele aus der ungarischen Theater- und Filmszene sind aus Ungarn abgewandert und arbeiten international an renommierten Theatern oder in Filmprojekten. Dadurch ist eine große Lücke im heimischen Kulturwesen entstanden, die nur schwer wieder zu füllen ist. Häufig gestaltet sich die Nachbesetzung als äußerst schwierig, denn die alteingesessene Generation möchte keinen Platz für die jüngere Generation machen. Ebenfalls ausschlaggebend ist die fehlende fachspezifische Bildung beziehungsweise die politische Einmischung in die Bildungseinrichtungen.

Judith Csáki ist jedoch zuversichtlich und setzt ihre ganze Hoffnung auf die unabhängigen Theater, die Ungarns Theaterszene wiederbeleben.

An dieser Stelle einen herzlichen Dank an die Vortragende Judith Csáki, sowie die Organisatoren und Organisatorinnen vom Institut der Finno-Ugristik und dem Österreichischen Institut für Ungarische Studien für das Ermöglichen der Veranstaltung.

Finno-Ugristik macht Schule

Der 26. September ist der Europäische Tag der Sprachen. Viele Institutionen nehmen diesen Tag zum Anlass, um Veranstaltungen zu organisieren, die im Zeichen der sprachlichen und kulturellen Vielfalt Europas stehen.

So hat auch die Volksschule am Tabor in Neusiedl am See heuer ein Sprachenfest für die rund 260 Schüler*innen der Schule im Burgenland veranstaltet, bei dem unsere Abteilung durch Erika Erlinghagen vertreten war, die die Kinder in spielerischer Form an die Grundlagen der wissenschaftlichen Forschung hingeführt hat, nämlich eine gute Frage zu finden, eine Hypothese aufzustellen und schließlich mittels empirischer Methoden eine valide Antwort zu finden. In diesem Fall ging es darum herauszufinden, wie viele Sprachen insgesamt an der Schule von den Schüler*innen und Lehrer*innen, die im Turnsaal bei dem Fest anwesend waren, gesprochen werden. Mithilfe von Bewegungsspielen und der gemeinsamen Gestaltung einer bunten Sprachenfigur haben die Kinder herausgefunden, dass sie in eine sprachlich sehr bunte Schule gehen: 21 Sprachen wurden gezählt, darunter auch die Österreichische Gebärdensprache. Zum Abschluss wurde noch auf die Gleichwertigkeit aller Sprachen hingewiesen und die Tatsache, dass es keine „objektiv schwerste Sprache der Welt“ gibt – zwei Erkenntnisse, die die Kinder offensichtlich überraschten, aber die sie auch sehr begeistert aufnahmen, was zeigt, wie wichtig es ist, bereits bei den Jüngsten anzusetzen, wenn es darum geht, für den Mehrwert sprachlicher Vielfalt zu sensibilisieren. Mit einem bekannten Kinderlied, das auf Deutsch, Englisch und Ungarisch gesungen wurde, endete das Sprachenfest, wobei die Kinder im Anschluss in ihren jeweiligen Klassen noch die Möglichkeit hatten, mit ihren Lehrer*innen über das Erlebte zu sprechen.

Das Feedback von der Schulleitung zu dieser Science 2 Young Public-Veranstaltung war ausgesprochen positiv: Sowohl Eltern von Kindern als auch Lehrer*innen haben berichtet, dass die Kinder mit viel Begeisterung und Interesse reagiert haben, noch in der Schule viele Nachfragen gestellt und ihr neues Wissen zuhause eifrig mit anderen Familienmitgliedern geteilt haben.

So hat nach diesem erfolgreichen Auftakt nicht nur die Schuldirektorin Kordula Csukker eine weitere Einladung zur Zusammenarbeit ausgesprochen, sondern auch die Lehrerinnen Eveline Pitzl und Brigitta Drum-Bicskei haben ihr Interesse an der Fortführung dieses Wissenschaftsvermittlungsprogrammes angemeldet. Entsprechend ist nun eine Vortragsreihe im Laufe des Schuljahres 2022/23 geplant, in deren Rahmen einmal im Quartal verschiedene Themen, mit denen sich die Abteilung Finno-Ugristik in ihren Forschungsarbeiten auseinandersetzt, kindgerecht in der Volksschule vermittelt werden sollen – in Zukunft allerdings in Kleingruppen, um interaktiver und auch intensiver mit den Kindern arbeiten zu können.

v.links nach rechts: Bürgermeisterin Elisabeth Böhm, Erika Erlinghagen, Direktorin der VS am Tabor Kordula Csukker und Kinder der Klasse 2c

Für unsere Abteilung ist diese Zusammenarbeit eine willkommene Möglichkeit, erste Schritte hin zur Ausarbeitung eines Wissenschaftsvermittlungsprojektes an österreichischen Schulen zu setzen, sowohl im Bereich der Primarstufe als auch der Sekundarstufe, um einerseits Kinder und Jugendliche von Anfang an für Wissenschaft zu begeistern und andererseits, um auch die Vielfalt der Finno-Ugristik und insbesondere der Hungarologie zu präsentieren. Denn die Schüler*innen von heute, sind vielleicht bald die Studierenden von morgen.

Reisebericht Līvõd rāndast

Mein Name ist Luan Hammer und ich studiere zurzeit das Masterstudium Finno-Ugristik hier am Institut. Letztes Jahr habe ich den Livisch-Kurs bei Johanna Laakso besucht, und der hat bei der Planung meines diesjährigen Sommerurlaubs eine wesentliche Rolle gespielt: die Woche vom 08. bis zum 15. Juli 2022 habe ich an der Nordwestküste Lettlands in der Region Kurland verbracht, wo sich einige traditionelle Livendörfer befinden (siehe Karte).

Livisch – was ist das überhaupt? Livisch ist eine ostseefinnische Sprache, also eng verwandt mit etwa dem Estnischen und Finnischen. Durch den engen Kontakt mit dem Lettischen weist die Sprache auch einige lettische Einflüsse auf. Die letzten traditionellen Sprecher*innen sind vermutlich bereits verstorben, allerdings gibt es einige jüngere revitalisierte Sprecher*innen (ca 20 mit sehr guten Livischkenntnissen) sowie einige hunderte Aktivist*innen mit livischer Identität.

Was folgt ist ein Bericht in Text und Bildern von meiner Reise an die Livische Küste (auf Livisch: Līvõd Rānda).

Mazirbe/Irē

Mein Hauptaufenthaltsort an der Livischen Küste war Mazirbe/Irē auf einem Campingplatz direkt gegenüber des Livischen Kulturzentrums (Līvõ Kultūr sidām). Hier der Blick aus meiner Campinghütte auf den Campingplatz:

Gleich nachdem ich an der Haltestelle Mazirbes tautas nams (‚Volkshaus von Mazirbe‘, direkt vor dem Kulturzentrum, bezieht sich also wohl auf dieses) aus meinem Bus von Riga ausgestiegen bin, sind mir die mehrsprachigen Wegweiser in der Gegend aufgefallen:

  • lett. Baznīca, liv. Pivākuodā (wortwörtlich ‚heiliges Haus‘) ‚Kirche‘
  • lett. Mērakmeņi, liv. Mērkivīd ‚Peststeine’
  • lett. Jūra, liv. Mer ‚Meer’

Nachdem man auch an der Livischen Küste nicht daran vorbeikommt, sich auch mit der lettischen Sprache auseinanderzusetzen, hier ein wenig lettische Grammatik:

jūra Meer.nom, aber uz jūru zu Meer.akk ‚zum Meer‘: Die lettische Präposition uz ‚zu, auf‘ findet sich im Lettischen auch als Verbalpräfix (z.B. lett. zināt ‚wissen‘, uzzināt ‚herausfinden‘). Nebst anderen Verbalpräfixen wurde auch das Präfix uz– ins Livische entlehnt (z.B. liv. kēratõ ‚schreiben‘, uzkēratõ ‚schreiben auf‘).

Nicht nur mehrsprachige Wegweiser finden sich entlang der livischen Küste, auch viele Info-Tafeln enthalten die Informationen sowohl auf Lettisch als auch auf Livisch. Nicht immer gibt es zu diesen eine Übersetzung etwa ins Englische, Deutsche oder Russische – wenn man (wie ich) ohne Lettischkenntnisse hier unterwegs ist, sind Grundkenntnisse im Livischen also klar von Vorteil. Als Beispiel: die Info-Tafel zum Laivu kapsēta/Lōjad kālmadtarā (dt. Bootsfriedhof) (das lettische Wort laiva ‚Boot‘ ist übrigens tatsächlich Kognat mit fi. laiva ‚Schiff‘, est. laev ‚Schiff‘ und liv. lōja ‚Boot‘).

auf Deutsch (in etwa): Das Boot, so wie der Mensch, wird geboren und stirbt. Die Boote wurden deshalb hierher gebracht, weil es verboten war, allein (privat?) zu fischen, und die Bevölkerkung im Dorf weniger wurde. Die alten Boote wurden zum Beheizen der Wohnung(?) verwendet. Die letzten Boote wurden 1976 hierhin gebracht. Jetzt „isst“ sie der Wald auf. Das in Mazirbe/Irē zu sehende „Objekt“ ist das einzige an der Küste Lettlands.

Hier einige Bilder von eben diesem Bootsfriedhof (nahe der Küste von Mazirbe) (mein Reisebegleiter – Squirrel, das Plüscheichhörnchen – war auch mit dabei):

Das Wetter hat es die ersten beiden Tage meines Aufenthalts nicht besonders gut mit mir gemeint, und bei Sturm, strömendem Regen und Gewitter erschien mir mein geplantes Programm, das vor allem aus Spaziergängen im Wald und am Meer bestand, zu risikoreich – gut, dass ich meine Kantele dabei hatte, um mir die Zeit in meiner Campinghütte mit dem Singen eines livischen Volksliedes (Pūgõ Tūļ ‚Wehe, Wind‘) zu vertreiben. Zudem habe ich mich am Schreiben von Lyrik auf Livisch versucht:

Alā li randõ
ku jegā kõrd ku ulzõ lǟ’d
sa kūlõd uldõst tovõ īeldõ
võta līvõd loul ja
lūo siestõ pǟva

Übersetzung:

Geh nicht zum Strand
wenn du jedes Mal, wenn du nach draußen gehst
von draußen ein Gewitter hörst
Nimm ein livisches Lied
und erschaffe aus ihm die Sonne

Warum gerade Lyrik auf Livisch? Was mich an der Situation der livischen Sprache vielleicht am meisten fasziniert, ist, dass zu den etwa 20 Personen mit sehr guten Livischkenntnissen drei aktiv auf Livisch schreibende Dichter*innen (Valt Ernštreit, Baiba Damberg und Ķempi Kārl) zählen. Ich bin mir nicht sicher, ob es eine andere Sprache mit einem ähnlich hohen Anteil an Autor*innen gibt, halte es aber für eher unwahrscheinlich.

An den Abenden wurde das Wetter zum Glück besser, so dass ich zumindest einen 10-minütigen Spaziergang zur Küste machen konnte.

Abendspaziergänge zum Strand und Sonnenuntergänge anschauen wurde in dieser Woche zu meinem festen Abendprogramm:

Mit jedem meiner Abende näherte ich mich auch der Ostsee ein Stück mehr, so wagte ich mich erst nur an den Rand der Küste, und trat erst am Folgetag mit den Füßen ins Wasser, bis ich am Tag vor meiner Abreise auch (soweit es Wind und Wellen zuließen) in der Ostsee geschwommen bin. Ich bin hoffnungsloser Romantiker und habe mein Gefühl dazu in ein paar weiteren Zeilen auf Livisch verarbeitet:

kǟngad jālgas randõ lǟ’dõ
rāndas kǟngad jālgast võttõ
jālgad mie’rrõ pānda
kuodāj tūlda
jālgad pǟl vie’dkõks
ja varbõd va’il jõugõks

Übersetzung:

mit Schuhen auf den Füßen zum Strand gehen
am Strand die Schuhe ausziehen
die Füße ins Meer tauchen
nach Hause kommen
mit Wasser auf den Füßen
und Sand zwischen den Zehen

Die lutherische Kirche von Mazirbe  (liv. Irē lutār pivākuodā) war für mich mehr ein Zufallsfund auf der Karte der Umgebung und als ich mich auf den Weg dorthin gemacht habe, wusste ich noch nicht, was genau mich dort erwarten würde.

Einer Info-Tafel nahe der Kirche nach wurde diese Kirche 1868 erbaut und einst wurden in ihr Gottesdienste auf Livisch abgehalten. Innerhalb der Kirche gibt es u.a. einige Informationen zum Livischen und Texte des livischen Aktivisten Kōrli Stalte (1870-1947), der u.a. den Text zur Livischen Nationalhymne (Min izāmō ‚Mein Vaterland‘, mit derselben Melodie wie die Nationalhymnen Finnlands und Estlands) verfasste und das Neue Testament ins Livische übersetzte.

Angrenzend an die Kirche befindet sich ein Friedhof. Ein altes Grab dort soll der einzig bekannte Platz in Lettland sein, an dem ein Werwolf begraben ist (leider konnte ich bei meinem Rundgang auf dem Friedhof nicht nachvollziehen, welches der Gräber hier das Werwolfsgrab sein soll; zum Teil war es schon schwer nachzuvollziehen, was auf dem Friedhof Grab und was bloß dicht bewachsene Wiese mit Steinen ist).

Hier ein paar Eindrücke von dem Friedhof:

Das hier ist ein Denkmal von Andrew Berthold an seine Eltern Didrõk und Lihse. Der erste Teil ist Livisch, der zweite Englisch. Soweit ich es entziffern konnte steht hier geschrieben: „Tesa magub lihvud suhr pehlist famihlist min tohti un ehma Didrük un Lihse Berthold. Tohti sindun 20. Maijus 1827 kohlun 3. Aprilus 1890. Ehma sindun 10. Junius ???? kohlun 15 Aprilus 1907. / Here rests from Livonien ???? family my father and mother Didruk and Lihsi Berthold. This monument is erected in the year 1933 by their son Captain Andrew Berthold of New York, U.S.A.“

Neben Gräbern steht am Friedhof auch diese Pinie mit einem auffälligen Loch in ihrem Stamm. Einer Legende zufolge soll dieses Loch ein Gastarbeiter zur Sowjetzeit mit einer Motorsäge in die Pinie geschnitten haben, um an den sich in der Pinie befindenden Honig zu gelangen.

Nicht am Friedhof aber ebenfalls in der Umgebung der Kirche befinden sich zwei der so genannten Peststeine (lett. Mēra akmeņi, liv. Mēr kivīd). Dies sind Granitblöcke aus den Jahren 1711-1734, unter denen die Pestopfer begraben wurden. Ihre (mittlerweile nicht mehr lesbaren) Inschriften sollen einerseits an die Pest und andererseits an den Großen Nordischen Krieg erinnern.

Geht man zurück von der Lutherischen Kirche von Mazirbe auf die P124 (das ist die Staatsstraße Ventspils-Kolka) und auf dieser ein paar Minuten in Richtung Süden, findet man direkt neben der Straße auf einem Hügel eine große und sehr verwurzelte Pinie. Eine Legende besagt, dass sich wer sich unter  ihre Wurzeln stellt, unter bestimmten Voraussetzungen (über die ich nicht näher Bescheid weiß) in einen Werwolf verwandelt.

Am Weg zum Campingplatz über eine andere Route durch den Wald fällt ein Stein mit Inschrift auf: „Mazirbe, Dzelzceļa stacija“, auf Deutsch „Bahnhof Mazirbe“. Dabei handelt es sich um Überreste einer Schmalspurbahn, die eine Verbindung der Küstendörfer im Norden Kurlands mit Dundaga, Ventspils und Talsi darstellte.

Wieder zurück am Campingplatz, diesmal, um das Livische Kulturzentrum näher zu betrachten. Das Livische Kulturzentrum wurde am 6. August 1939 eröffnet. Mit dem Anschluss Lettlands an die Sowjetunion 1940 wurden Vereinsaktivitäten der Liven verboten und das Haus als sowjetisches Kulturzentrum benutzt. Im August 1989 wurde es wiedereröffnet – seitdem findet jährlich im August ein Livenfest in Mazirbe statt. Die Tafeln links und rechts von der Eingangstür sind mehrsprachig auf Lettisch, Livisch, Finnisch, Estnisch und Ungarisch. Der Text auf Deutsch: „Dieses Haus errichteten die Liven mit Hilfe ihres Vaterlandes Lettland und ihren Verwandten, den Finnen, Esten und Ungarn.“ Im Haus befinden sich ein Veranstaltungssaal mit einer kleinen Ausstellung zur livischen Sprache und Kultur, sowie ein kleines Café – ich kann sowohl Ausstellung als auch Café wärmstens empfehlen.

Kolka/Kūolka

An einem meiner Tage an der livischen Küste ging es für mich mit dem Bus nach Kolka/Kūolka, also zum nördlichsten der Livendörfer Kurlands. Der Name des Dorfes tauchte zum ersten Mal am 9. März 1743 in einem Schriftstück auf. Eventuell leitet er sich ab von est. kolgas bzw fi. kolkka ‚Ecke‘, ‚abgelegene Gegend‘ oder von liv. kōla ‚Insel‘ oder liv. kūoļma ‚Furt‘. Eine Legende besagt, dass der Name entstand, als die Liven gegen die Deutschen kämpften und dem letzten Deutschen „Kūol ka!“ (‚Stirb auch du!‘) entgegenriefen.

Mein erster Weg in Kolka/Kūolka ging ins Livonian Community House. Auch darin befindet sich eine Ausstellung (vor allem zur livischen Geschichte), in der ich, obwohl sie aus nur einem Raum besteht, nahezu zwei Stunden verbracht habe.

Mit vielen neuen und interessanten Informationen und zwei livischen Büchern, die ich mir in diesem Haus gekauft habe, machte ich mich auf den Weg weiter zur Küste von Kolka/Kūolka. Dort bin ich erst einmal auf den Vogelbeobachtungsturm gestiegen und habe mein Eichhörnchen angeschaut (Vögel habe ich von hier aus maximal ein paar Möwen gesehen).

Weiter am Strand entlang richtung Norden, offenbart sich der Blick auf den Leuchtturm von Kolka (abgebildet auf dem Foto, wenn auch nur recht klein). Die sogenannte Irbenstraße, die auch an diesem Leuchtturm entlang führt, gilt als einer der gefährlichsten Orte für Schiffe in der Ostsee und um den Leuchtturm befindet sich der vermutlich größte Schiffsfriedhof in der Ostsee. Weiter nördlich vom Leuchtturm (und am Foto nicht mehr sichtbar) befindet sich die estnische Insel Saaremaa.

Der nödlichste Punkt von Kurland ist das Kap Kolka. Sein livischer Name ist Kūolka nanā (wortwörtlich ‚Nase von Kolka‘). Laut einer livischen Legende wurde das Kap Kolka vom Teufel geschaffen, als dieser einen Weg auf Saaremaa schaffen wollte.

Ein paar Eindrücke aus der Umgebung:

Denkmal für Visvaldis Feldmanis (1938-2017), langjähriger Direktor des Leuchtturms von Kolka:

Das Denkmal Jūras paņemtiem (Lettisch für ‚die vom Meer Genommenen‘). Die Inschrift, die auf dem Bild zu sehen ist: cilvēkiem, kuģiem, līvu zemei (‚den Menschen, den Schiffen, dem Land der Liven‘).

Die Mülleimer hier sagen dreisprachig Danke (auf Lettisch, auf Livisch und auf Englisch):

Bevor ich mich auf den Weg zurück zur Busstation mache, gibt es Abendessen auf der Dachterrasse des Cafés Divjūriņas:

Mazirbe/Irē-Košrags/Kuoštrõg-Pitrags/Pitrõg-Saunags/Sǟnag

Am Tag vor meiner Abreise scheint die Sonne und meine Energie und Motivation sind genug, um mich auf eine längere Wanderung von Mazirbe in Richtung Norden zu den nächsten drei Livendörfern zu machen. Meine Route geht vor allem durch den Wald und in jedem der Dörfer mache ich einen Abstecher zum Strand.

Košrags/Kuoštrõg

Erst im 17. Jh errichtet ist Košrags/Kuoštrõg eines der jüngsten Livendörfer, allerdings ist es auch das, in dem historische Gebäude wohl am besten erhalten geblieben sind. Die livische Küste ist im Prinzip ein riesiges Freilicht-Museum und in Košrags/Kuoštrõg ist mir das besonders aufgefallen. Es gibt Info-Tafeln zu nahezu jedem Haus dort, die zum Teil auch mit QR-Codes zu genaueren Informationen zu den Gebäuden versehen sind. Hier etwa die an einem Platz, an dem früher eine Schule gestanden ist:

Und hier der Strand von Košrags/Kuoštrõg:

Pitrags/Pitrõg

Pitrags/Pitrõg wurde in schriftlichen Quellen erstmals 1582 erwähnt. Unter anderem steht hier eine Baptistische Kirche, die 1901 erbaut und 1926 restauriert wurde.

Der Strand von Pitrags/Pitrõg:

Saunags/Sǟnag

Mein letzter Stopp meiner Wanderroute ist Saunags/Sǟnag. Erstmals in Dokumenten erwähnt wurde dieses Dorf 1310. An der Küste hier steht ein Holzpfeiler, der wohl einen Punkt auf der 1836km langen Wanderroute um Lettland markieren sollte, daneben weht die livische Flagge, deren Farben den Blick eines Fischers zur Livischen Küste repräsentieren sollen: Blau (liv. siņņi) für das Meer, Weiß (liv. vālda) für den Strand und Grün (liv. ǭļaz) für den Wald.

Zurück in Mazirbe geht es noch ein letztes Mal zum Strand dort, ein letztes Mal den Sonnenuntergang beobachten und soweit es Wind und Wellen zulassen, zur Erfrischung ins kühle Wasser der Ostsee. Bis zum nächsten Mal, Līvõd rānda!

Tonavan Laakso: Eine Festschrift für Johanna Laakso

Am 5. Februar 2022 beging Johanna Laakso, seit Oktober 2000 Professorin für Finno-Ugristik an unserer Abteilung, ihren 60. Geburtstag. Ein zeitgerechtes Feiern von Februar-Geburtstagen ist im Zeitalter von COVID schwierig, weswegen wir uns am Stichtag im Rahmen einer Zoom-Zusammenkunft unserer Abteilungsangehörigen mit dem Geburtstagskind (oder wie man im Finnischen sagt, päivänsankari ‚Held*in des Tages‘) auf ein ordentliches Begehen des Anlasses im Juni geeinigt haben.

Am 3. Juni 2022 war es dann endlich so weit. Die Angehörigen unserer Abteilung sowie ein kleiner Kreis von Kolleginnen und Freundinnen aus unseren Nachbarländern (in Finnland gab es separate Festlichkeiten zum Anlass ihres Geburtstags) versammelten sich erst mal in unserem Hörsaal 1 zum Festakt. Derweil lauerte ominös ein imposant verpacktes Packerl vorne im Hörsaal.

Nach den Reden war es dann an der Zeit, die Heldin des (118 Tage davor vergangenen) Tages dazu aufzufordern, das Packerl zu öffnen.

„Eine Festschrift.“

Es ist eine akademische Tradition, dass etablierten Wissenschaftler*innen zu einem runden Geburtstag ein Festband gewidmet wird. Welcher Geburtstag es genau ist variiert von Land zu Land und Disziplin zu Disziplin; in der Finno-Ugristik ist es der 60. Wie viele akademische Traditionen, ist auch diese heutzutage nicht in Stein gemeißelt; mit all den Strapazen und Herausforderungen der letzten Jahre hatte sich die Heldin des Tages keine Festschrift erwartet. Es war uns eine Freude, sie positiv zu überraschen – denn seit Jahren war diese Festschrift in Planung, und nicht einmal eine Pandemie konnte uns von ihrer Verwirklichung abhalten.

Tonavan Laakso – die Laakso von der Donau. Nicht zu verwechseln mit Tonavan laakso, dem Donautal. Die Groß-Kleinschreibregeln des Finnischen verhalfen uns hier zum passenden Titel für den Band – oder genauer gesagt, sie verhalfen unserem lieben Kollegen Jussi Ylikoski von der Universität Oulu dazu. Wie so oft ermöglichte erst eine breite internationale Kooperation das gewollte Ergebnis – eine Metapher für die Wissenschaft im Allgemeinen.

Im Aufruf zu diesem Band (der, im Einklang mit einem zentralen Thema des Bandes sowie der Karriere Johanna Laaksos, mehrsprachig war) hatten wir unsere Wünsche für den Band wie folgt formuliert:

„The Festschrift should reflect Johanna’s versatile skills and interests. As such, we are accepting contributions on topics that would interest her in languages that she can read. The following range of topics suggests itself, though this list is of course not exhaustive: Uralic languages and language history, multilingualism, literary and cultural studies, gender studies, minority activism, cats.“

„Juhlakirjan on tarkoitus heijastaa Johannan monipuolisia taitoja ja kiinnostuksen kohteita. Siksi toivomme kirjoituksia Johannaa kiinnostavista aiheista, kielillä, joita hän osaa lukea. Seuraava lista on suuntaa antava muttei tietenkään täydellinen: uralilaiset kielet ja kielihistoria, monikielisyys, kirjallisuuden- ja kulttuurintutkimus, sukupuolentutkimus, vähemmistöaktivismi, kissat.“

„Szeretnénk, ha az ünnepi kötet tükrözné Johanna sokoldalúságát és széles érdeklődési körét, így olyan tanulmányokat várunk, amelyek ezt szem előtt tartják. A publikáció nyelve lehet bármely nyelv, amelyen Johanna olvas. A lehetséges témakörök – természetesen nem teljes – listája: uráli nyelvek és nyelvtörténet, többnyelvűség, irodalom- és kultúratudomány, gendertudomány, kisebbségi aktivizmus és macskák.“

Der Inhalt des Bandes wird, wenn man uns dieses Eigenlob verzeihen darf, diesem Ziel gerecht. Das ist aber in erster Linie nicht der Verdienst unseres redaktionellen Teams, sondern bezeichnend für Johanna Laakso als Leitfigur und Netzwerkbauerin in unserer Disziplin: über den Kontinent verstreut hatten Kolleg*innen bereits passende Themen für genau einen solchen Band parat. Seine 40 Beiträge umfassen ~180.009 Wörter bzw. 1.320.249 Zeichen, wurden von 53 Wissenschaftler*innen verfasst und sind sowohl thematisch als auch sprachlich divers. In Summe wurden Artikel in sechs Sprachen (Deutsch, Englisch, Finnisch, Estnisch, Ungarisch, Schwedisch) verfasst. Der Band wird die folgenden Unterabschnitte und Beiträge enthalten (es gibt noch keine fixen Seitenzahlen):

I. Päivänsankari (mit künstlerischem Beitrag von Heini Lehtonen)
• Jeremy Bradley: About this volume
• Riho Grünthal, Anneli Sarhimaa: Johanna Laakson kuusikymmentä vuotta
• Erzsébet Barát: Johanna and cats – Queer encounters of ahuman care
• Marianne Bakró-Nagy, Jeremy Bradley, Elena Skribnik: An annotated bibliography of an illustrious scholar
• Tabula gratulatoria
• Petri Kallio: The etymology of Finnish laakso ‘valley’
• Imar Koutchoukali: The name Johanna: some historical, etymological, and cultural notes

II. Berichte (mit künstlerischem Beitrag von Merit Niinemägi)
• Jeremy Bradley, Rogier Blokland: Children of the Hexenkreis: INFUSE, COPIUS, REMODUS, and beyond
• Márta Csire, Katalin Wirker-Dobány: Sprachentwicklung von ungarisch- und deutschsprachigen Volksschulkindern – Bericht zu einem laufenden Projekt über die kindliche Zweisprachigkeit
• Santeri Junttila: Johdatus kuilinalaiseen kielentutkimukseen

III. Sprachwissenschaft (mit künstlerischem Beitrag von Luan Hammer)
• Rigina Ajanki: Preesenstunnuksesta *-k- ja persoonatunnusten muutoksesta länsiuralissa
• Bernadett Bíró, Katalin Sipőcz, Sándor Szeverényi: A Siberian River Runs Through It: Specific expressions of spatial relations/orientation in the Uralic languages of Western Siberian river valleys
• Tamás Forgács: Lexikologische Ursachen für Rückgang und Schwund von phraseologischen Einheiten
• Cornelius Hasselblatt: Die Frau im estnischen Lexikon 2.0
• Johannes Hirvonen: Nullsubjekte im Livischen
• Sampsa Holopainen: Revisiting a problematic Uralic and Indo-Iranian word-family
• Markus Juutinen: Itäisten saamelaiskielten helmeä merkitsevien sanojen alkuperäkysymys
• Annekatrin Kaivapalu: Keeleteadlikkus ja keeltevahelise sarnasuse tunnetamine
• Mikko Kajander: Jari tulee tankkaamasta autoa. Objektin partitiivisija oppijan näkökulmasta
• Ilona Kivinen: Huomio kielisukulaisuuteen! – Havaintoja kielenoppimisstrategioista ja kielihistorian hyödyntämisestä saamenopetuksessa
• Birute Klaas-Lang: The struggle between Estonian and English in higher education in Estonia
• Anna Kolláth: Hobbi és sport fogalomkörű kölcsönszavak a Termini-szótár muravidéki korpuszában
• Kadri Koreinik, Helen Plado: Linguistic and extra-linguistic arguments in graphization debates: an unsettled standard of Southern Estonian
• Renate Pajusalu, Karl Pajusalu: Ajavaos ja -vagudel
• Christian Pischlöger: Vom Nutzen und Nachteil der Sprachwissenschaft für das Leben von Minderheitensprachen: Die „Wieso-Sprache“ Besermanisch
• Janne Saarikivi: Huomioita Agricolan psalttarin esipuheen jumalista ja muusta itämerensuomalaisesta mytologisesta sanastosta
• Ksenia Shagal, Merit Niinemägi, Luan Hammer, Kitti Vojter, Mátyás Béres: Gendered job titles in genderless languages: the case of Finno-Ugric
• Beáta Wagner-Nagy: How many right and left sides are there in Nganasan?
• Jussi Ylikoski: Kieliopillistutaan sitä vielä meilläkin! Kaksi vuosisataa viron ja suomen komitatiivien vertailua

IV. Literatur- und Kulturwissenschaft (mit künstlerischem Beitrag von Erika Erlinghagen)
• Johanna Domokos: P. A. Böckstiegel expresszionista festő eltűnt számi családi festményéről
• Erika Erlinghagen: “…ein Unglück hatte zugeschlagen…”: Views on the past in Hungarian-German literature of the 20th century
• Endre Hárs: Wie Gyula Hernádi dem Zeitreisenden begegnete. Eine Episode aus der Geschichte der ungarischen Fantastik
• Károly Kókai: Die falschen Schlüsse: Zwei kulturwissenschaftliche Fallbeispiele
• Kristina Malmio: 99%? En kvantitativ studie av litteratur publicerad på svenska i Finland året 1916
• Wolfgang Müller-Funk: Kakanien revisited und die russische Revolution: Joseph Roth, ‘Der stumme Prophet’. Visitenkarte eines Forschungsprojekts und netzwerks
• Péter Ötvös: Vízszellem vagy szivacs?
• Brigitta Pesti: Konfessionsübergreifende Gönnerschaften von Frauen in Ungarn in der frühen Neuzeit
• Andrea Seidler: Die Pracht der Majestät, das sanfte Lächeln der Natur: Schlosses Esterháza im Fokus von Beschreibungen des späten 18. Jhd.
• Antje Wischmann: Die ‘neue Frau’ im Wandel der Kanonisierung. Elin Wägners Feuilletonroman Norrtullsligan (Die Clique aus Norrtullsgatan) 1908 und die Folgen der Verfilmung 1923

V. Beteiligte (mit künstlerischem Beitrag von Maria Köstlbauer)

Angesichts der Größenordnung dieses Projekts – sowohl für die Jubilarin als auch für uns als Redaktionsteam – wurde der Anlass in einem Heuriger weniger formell weitergefeiert.

Im Herbst wird das Buch als Teil unserer „Central European Uralic Studies“-Reihe beim Wiener Praesens Verlag erscheinen. Bei Johannas Feier wurde ihr vorerst „nur“ ein Manuskript präsentiert; dadurch hat sich die Möglichkeit eröffnet, die Herausgeberin der Reihe – natürlich Johanna Laakso – zu technischen Feinheiten der Implementierung des Bandes zu konsultieren. Die provisorischen bibliographischen Daten sind:

Bradley, Jeremy (Herausgeber). 2022. Tonavan Laakso: Eine Festschrift für Johanna Laakso. Mit redaktioneller Beteiligung von Márta Csire, Erika Erlinghagen, Johannes Hirvonen, Sampsa Holopainen, Mikko Kajander, Brigitta Pesti, Christian Pischlöger, Andrea Seidler, Triinu Viilukas, Ferenc Vincze. Central European Uralic Studies 2. Wien: Praesens Verlag. ISBN: 978-3-7069-1159-7.

Unser herzlicher Dank geht an alle direkt und indirekt an diesem Projekt beteiligten Kolleg*innen, Freund*innen und Sponsor*innen!

CENTRAL Workshop Berlin November 2021

Ein Bericht von Márta Csire, Agota Kertesz und Flavius Blume

Vom 10. bis 13. November fand in Berlin der studentische Workshop „Funktionelle Translatologie in regionalen Kontexten“ statt. Die Wiener Finno-Ugristik ist seit 2015 Kooperationspartner der vom CENTRAL-Projekt unterstützten jährlichen wissenschaftlichen Veranstaltungen. Am dreitägigen Workshop haben zwei Studierende, Agota Kertesz, Flavius Blume und Lektorin Márta Csire von unserer Abteilung teilgenommen. Der Gastgeber und Organisatoren waren die Hungarolog*innen der Humboldt-Universität zu Berlin in Kooperation mit dem Collegium Hungaricum Berlin, das seine Räumlichkeiten für die Veranstaltung angeboten hatte.

10. November

Ähnlich wie vor zwei Jahren stiegen wir in die sehr arbeits- und lehrreichen Tage mit einem gemeinsamen Abendessen gegen 19 Uhr im Restaurant „Blue Label“ ein. Bei gutbürgerlichem und typisch Berliner Speisen und Getränken hatten wir bereits die erste Möglichkeit unsere Kolleg*innen von den Universitäten Berlin, Warschau, Prag und Budapest kennenzulernen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Da wir jedoch alle von der Reise sehr erschöpft waren, brachen wir nicht allzu spät auf, bekamen aber noch die Gelegenheit, mit der Straßenbahn ein wenig das nächtliche Berlin zu erkunden.

11. November

Der Donnerstagmorgen begrüßte uns typisch berlinerisch: kalt aber doch irgendwie warmherzig, sodass wir neugierig und voller Vorfreude uns auf dem Weg zum Collegium Hungaricum Berlin machten, welches im Übrigen nicht weit von der Berliner Humboldt-Universität, dem Brandenburger Tor und dem Reichstag liegt. Nachdem jeder und jede im großen Vortragssaal des Instituts Platz genommen hatte, starteten wir mit einem kurzen Überblick über den Workshop und etwaige organisatorische Inhalte, anschließend hielt Frau Dr. habil. Rita Hegedűs, eine wahre Koryphäe auf ihrem Gebiet, einen einführenden Vortrag über die Kategorien der funktionalen Linguistik. Nach ihren einleitenden und horizonterweiternden Worten stiegen wir auch praktisch ins Thema ein, indem wir zunächst nach den einzelnen vertretenen Universitäten unterteilt Arbeitsgruppen bildeten, denen sich unter anderem auch praktizierende Übersetzer*innen anschlossen. Innerhalb dieser Gruppen behandelten wir den von uns bereits übersetzen Text „Mitteleuropa. Vergangenheit? Gegenwart? Zukunft? Die Veränderungen des Begriffes im 19.-20. Jahrhundert“ von Mária Ormos. Wir untersuchten einzelne Kulturspezifika und Funktionalitäten bzw. arbeiteten auch Übersetzungsschwierigkeiten heraus und präsentierten diese nachfolgend im Rahmen einer Diskussion. Dabei arbeiteten wir außerdem Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den einzelnen Übersetzungen der jeweiligen Teilnehmer*innen heraus und fokussierten dabei überwiegend auf die einzelnen Aspekte, auf die die Übersetzer*innen der jeweiligen Sprache besonders Wert legten.

Unterbrochen wurden die sehr interessanten Diskussionen nur von kurzweiligen Pausen, in denen wir uns am vorbereiteten Buffet im Institut stärken konnten, dabei aber nicht aufhörten, uns weiter untereinander auszutauschen und somit weiterzubilden. Der arbeitsintensive Vormittag endete mit einer etwas längeren Mittagspause, bevor am Nachmittag die Möglichkeit bestand, unter der Leitung von Tamás Görbe die Stadt etwas mehr zu erkunden. Er führte uns dabei an den wichtigsten Sehenswürdigkeiten Berlins vorbei und konnte uns dazu stets wichtige Informationen und unterhaltsame Anekdoten berichten. Den Abend beschlossen wir wieder bei einem gemeinsamen Abendessen, diesmal im Restaurant „Nolle“, direkt unter den S-Bahngleisen gelegen und im atemberaubenden Stil der Berliner 1920er Jahre eingerichtet.

12. November

Am 12. November fanden wir uns erneut um 10 Uhr im Collegium Hungaricum ein. Im ersten Teil des Workshops stellte Dr. Heike Flemming den Text von Péter Eszterházy vor und erklärte in einem Vortrag die Schwierigkeiten, die beim Übersetzen eines Eszterházy Textes auftreten können beziehungsweise jene, die ihr konkret aufgefallen sind. Nach einer kurzen Pause kamen wir wieder in Kleingruppen zusammen und arbeiteten selbstständig an unseren Übersetzungen weiter. Zuerst suchten wir uns sprachlich schwierigere Passagen heraus. Anschließend stellten die einzelnen Sprachgruppen die jeweiligen Probleme vor und erklärten ihre Lösungsansetzte. In einem weiteren Schritt wurden kulturspezifische Textstellen hervorgehoben und gezeigt, dass sie- während sie in der ungarischen Sprache keiner Erklärung bedurften- in der Zielsprache jeweils erläutert oder umformuliert werden mussten (oder nicht dieselbe Wirkung hatten). Nach der Gruppendiskussion fand für die Workshop-Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine Führung in der aktuelle Fotoausstellung „Westblick – Ostblick – Künstlerporträts von Lothar Wolleh und Lenke Szilágyi“ des Collegium Hungaricums statt.  Wie der Name bereits verrät, wurden die Werke von Wolleh und Szilágyi einander gegenübergestellt, denn beide haben – zwar zu verschiedenen Zeiten – Künstlerporträts in Form von Fotographien gefertigt.  Nach einer Mittagspause traf sich die Gruppe schließlich bei der Friedrichstraße, um gemeinsam die Berliner Mauer zu besichtigen. Tamás Görbe erklärte uns die Aufteilung Berlins in vier Zonen und wie sich die Menschen damals in der Stadt bewegen konnten. An dieser Stelle noch einmal einen großen Dank an unseren Fremdenführer mit extrem großen Hintergrundwissen. Am Abend gab es die Möglichkeit für ein gemeinsames Abendessen.

13. November

Ehe wir uns versahen, war auch schon der letzte Tag des CENTRAL Workshops 2021 angebrochen. Diesmal trafen wir uns, teilweise mit Taschen und Koffern bepackt, bereits um 9:30 Uhr im Collegium Hungaricum. Auf dem Programm stand zunächst ein Vortrag von Claudia Winkler-Görbe, die uns einen Einblick in ihre Arbeit als Dolmetscherin und Übersetzerin der ungarischen Botschaft in Berlin gab und dabei vor allem auf Herausforderungen und Schwierigkeiten einging, die diese Tätigkeit mit sich bringt. Anschließend folgte der Vortrag von Dr. Tamás Görbe über funktionale Übersetzungsmodelle, welche überwiegend dem translationswissenschaftlichem Bereich entspringen. Anschließend arbeiteten wir diesmal in gemischten Arbeitsgruppen mit den anderen Kolleg*innen zusammen an unterschiedlichen Kategorien von Übersetzungsschwierigkeiten und Schwerpunkten, erläuterten diese und besprachen sie anschließend in einer abschließenden Diskussion, in der wir auch die Arbeit an einer Projektzusammenfassung begannen, die zudem über den Workshop hinaus fortdauerte und heute noch fortdauert, indem wir unsere Gedanken in verschiedenen Online-Szenarien austauschen können.

Nach einem Abschiedssnack und der herzlichen Verabschiedung von den Kolleg*innen der anderen Universitäten, vor allem von den Berliner Hungarolog*innen brachen wir wieder zu unseren Heimatuniversitäten auf, erfüllt von vielen neuen Erlebnissen, Erfahrungen, Informationen und der Vorfreude auf ein eventuelles neuerliches Zusammentreffen.

Wir als Vertreter*innen der Hungarologie Wien bedanken uns herzlich bei Tamás Görbe und Indira Hajnács für ihre Arbeit und Energie, die sie in eine tolle Veranstaltung gesteckt haben.

Workshop in Berlin im Rahmen des CENTRAL-Projekts

Bericht von Flavius Kyrill Blume

 

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4.–6. November 2019

Seit dem Jahr 2014 treffen sich Hungarologen und Hungarologinnen im Rahmen des CENTRAL-Projekts jährlich in den europäischen Hauptstädten (Budapest, Berlin, Prag, Warschau und Wien) um sich gemeinsam über verschiedene Forschungsgebiete auszutauschen, ihre jeweilige Universität vorzustellen, oder auch die ungarischen Spuren in jener Stadt zu zeigen, zu besprechen und zu diskutieren. Ziel dieses Projektes ist dabei jedoch nicht nur das alleinige Besichtigen und das Teilnehmen an den verschiedenen Programmpunkten, sondern vor allem die gezielte Weitergabe von Wissen und die Darstellung des jeweiligen Stand- und Schwerpunktes der einzelnen Fakultäten und Institute, sowie der eigenen Forschungsarbeit.

In diesem Jahr fand das Hungarologentreffen wieder einmal in Berlin statt und richtete sich vor allem an DoktorantInnen der jeweiligen Universität. Im Vordergrund der einzelnen Sitzungstage stand in diesem Jahr vor allem das Halten von Referaten mit Themen, die Bezug auf die vor allem kulturellen Beziehungen zwischen Ungarn und dem einzelnen Land (Polen, Deutschland, Tschechien, Österreich und natürlich auch Ungarn selbst) nahmen.

Wie es der Zufall so will, kam es dazu, dass von der Universität Wien leider nur ich als einziger Student teilnehmen konnte, da alle anderen zu diesem Zeitpunkt verhindert waren.

Zusammen mit Márta Csire und Frau Prof. Johanna Laakso repräsentierten wir somit die Abteilung Finno-Ugristik aus Wien.

Im Folgenden möchte ich nun die einzelnen Tage und ihre Ereignisse vorstellen.

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Montag 4. November

Obwohl ich persönlich schon öfters in Berlin gewesen bin, war es wie immer ein schönes Gefühl wieder einmal die deutsche Hauptstadt zu besuchen. Nach einem kleinen Frühstück im Hotel fuhr ich zum Collegium Hungaricum, wo die gesamte Konferenz die nächsten drei Tage stattfinden sollte. Angekommen wurde ich von Tamás Görbe, dem Organisator des Central Projektes, begrüßt. Nach und nach trafen auch die Studenten der anderen Universitäten ein, darunter einige bekannte Gesichter von der letztjährigen Tagung in Warschau. Gegen 10 Uhr wurde die Tagung eröffnet, zunächst mit einigen organisatorischen Hinweisen ausgestattet, starteten wir danach sofort ins Programm.

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Im Unterschied zu den vorherigen Konferenzen, wurde diese von den Studenten an sich gestaltet; das heißt, dass jeder der TeilnehmerInnen ein eigenes Referat mit anschließenden kurzen Diskussionen vorbereitet hatte. Das Spektrum war dabei vielfältig, stand aber jeweils unter dem Aspekt der Verbindung zwischen dem jeweiligen Land/Stadt der Universität mit Ungarn. So wurden beispielsweise Referate über die Spuren der ungarischen Sprache im Polnischen, das Leben der ungarischen Minderheit in Tschechien, oder aber auch über den Sprachunterricht der jeweiligen Institute abgehalten.

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Ich selbst hielt das Erste meiner beiden Referate (das Zweite hielt ich in Vertretung von Gréta Gombos, die leider krankheitsbedingt nicht mitfahren konnte) über ungarische Theaterregisseure in Österreich, wie zum Beispiel Róbert Alföldi oder Árpád Schilling. Wichtig war mir dabei auch, das Aufmerksammachen auf die teilweise schwierigen Umstände in Ungarn, die die Regisseure dazu bewegt hatten nach Österreich zu kommen und auch die Diskussion jener Benachteiligung der systemkritischen KünstlerInnen. Die anschließende, teils hitzige Diskussion, war daher auch durchaus fruchtbar und erkenntnisliefernd.

Der Nachmittag konnte recht frei gestaltet werden, viele entschieden sich aber dafür, Tamás Görbe auf eine kleine Stadtbesichtigung zu folgen. So sahen wir das Brandenburger Tor, den Reichstag, aber auch generell das „Bildungsviertel“ um die Friedrichstraße und die Humboldtuniversität herum.

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Den Abschluss bildete am Abend ein gemütliches Beieinandersein in einem Café unweit des Collegium Hungaricum, währenddessen wir uns untereinander besser kennenlernen und auch über unsere unterschiedlichen Erfahrungen an den Instituten austauschen konnten.

Dienstag 5. November

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Wiederum gestärkt von einem reichhaltigen Frühstück im Hotel machte ich mich einmal mehr auf den Weg ins Collegium Hungaricum. Neben den einzelnen Vorträgen, welche teilweise nicht nur frontal, sondern auch mit dem Plenum abgehalten wurden, wurde uns auch Frau Márta Nagy, die Direktorin des CHs vorgestellt. In einigen Worten beschrieb sie die Arbeit des CHs in Berlin und stand auch den Fragen des Plenums offen gegenüber.

Nach erkenntnisreichen Referaten und Diskussionen bekamen wir die Möglichkeit unter der Leitung von Frau Nagy das Collegium Hungaricum noch näher zu besichtigen und kennenzulernen. Wieder andere besuchten die Museen Berlins oder machten sich auf den Weg einige andere Ecken auf eigene Faust zu erkunden.

Den Abschluss des angefüllten und erfüllenden Tages bildete ein experimentelles Konzert mit Vera Jónás, welches mit vielen ungewöhnlichen und interessanten Ideen angefüllt war.

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Mittwoch 6. November

 Der letzte Tag des CENTRAL Workshops in Berlin wurde ein weiteres (und letztes) Mal von Referaten der Studierenden abgeschlossen. So hielt auch ich mein zweites Referat in Vertretung der Kollegin Gombos über die Grazer Stadtschreiber, ein Stipendium, welches ausländischen Schriftstellern die Möglichkeit bietet in Österreich, speziell in Graz, für ein Jahr lang zu leben und auch zu wirken. Unter diesen Schriftstellern befanden sich in den vergangenen Jahren auch einige Ungarische, welche dieses Projekt nutzten, um international ein Stück weit bekannter zu werden.

Nach einem kleinen Sektempfang samt Imbiss und einigen abschließenden Worten von Tamás Görbe endete der CENTRAL Workshop 2019 in Berlin.

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Genau wie im vergangenen Jahr brachte diese Tagung mir einen großen Wissenszuwachs, Einblick wie andere Institute arbeiten, aber auch viele neue Denkanstöße.

Besonders gefiel mir im Vergleich zum Jahr davor die Einbeziehung der Studenten und Studentinnen in den Ablauf der Konferenz, sowie, dass fast ausschließlich alles auf Ungarisch abgehalten wurde. Wichtig ist vor allem die Kommunikation der Institute untereinander, der gegenseitige Austausch oder aber auch einfach das Kennenlernen um weiter zusammenzuwachsen. Ohne diese Kommunikation könnte so ein kleiner Studiengang wie die Hungarologie nur schwer bestehen.

Im Namen der Hungarologie der Abteilung Finno-Ugristik der Universität Wien bedanke ich mich Recht herzlich für die Einladung zum CENTRAL Workshop in Berlin, sowie für die interessante und gelungene Gestaltung dessen, sowie bei Mag. Márta Csire für die Hilfe bei der Vorbereitung der Referate und der Begleitung in Berlin.